Eine neuartige klare Kommunikation, die enorme Erfolge bewirkt… (Teil 6)

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Eine neuartige klare Kommunikation, die enorme Erfolge bewirkt; … (Teil 6)

Heute: Was sind eigentlich echte Gefühle und was nicht?
In vielen Bereichen der Wirtschaft wünscht man sich oder hofft man, dass Zusammenarbeit, Veränderungen, Beratungen, Verhandlungen sachlich und ohne größere Widerstände verlaufen. Irgendwie befürchtet man, dass Menschen emotional reagieren oder sich verweigern und glaubt, wenn man sachlich bleibt oder die sachliche Lösung erklärt, funktioniert es. Man würde so gern die Gefühle draußen lassen. Es ist verständlich, dass Kollegen, Leiter, Verkäufer oder andere Partner überfordert sind, wenn jemand starke Emotionen zeigt, z.B. wütend flucht, sarkastisch wird, beschuldigt, schmollt oder sich verweigert.

Dieses Verhalten ist zwar Ausdruck von Gefühlen, aber die echten Gefühle werden oft nicht einmal bewusst. Dieses Verhalten dient eher der Abwehr von echten Gefühlen.

Also was wir so wenig mögen, sind nicht die Gefühle, die jemand zeigt, sondern die Reaktionen, wenn jemand seine Gefühle nicht wahrnimmt und stattdessen uns für seine (nicht wirklich gefühlten) Gefühle verantwortlich macht. Das, was jemand dann in sich hat, sind nicht die echten Gefühle sondern Pseudogefühle (So nennt man die in der GFK.) oder eben abwertende Gedanken.

Ausdrücke für Pseudogefühle klingen etwa so:

Ich fühle mich (von dir/ Ihnen) nicht ernst genommen.
Ich fühle mich nicht geachtet.
Ich fühle mich hier missbraucht.
Ich fühle mich (von dir /Ihnen/ vom Chef/ von Kollegin…) verraten, hintergangen, platt gemacht, an den Rand gedrückt, verachtet, nicht respektiert….usw.

Ja diese Ausdrücke mögen wir nicht. Und in unserer Sprache benutzen wir das Wort „fühlen“ dafür. Nur eigentlich fühlen wir diese Sätze nicht – wir denken sie. Es sind also keine Gefühle, es sind Gedanken.

Wir denken also, dass ein anderer uns nicht ernst nimmt, nicht achtet, missbraucht, verachtet…usw.

Also das, was wir nicht mögen, sind die Beschuldigungen, die diese Pseudogefühle (also diese Gedanken) enthalten. Diese Pseudogefühle enthalten also die Vorstellung, dass ein anderer uns so behandelt oder über uns so denkt. (Bei der Auflösung wird dann oft bewusst, dass diese Pseudogefühle nur unsere eigenen negativen Vorstellungen über den anderen sind, die mit dem, was im anderen wirklich ist, nichts zu tun haben.)

Und es ist ja auch schwer, auf diese Pseudogefühle so zu reagieren, dass Verständigung noch oder wieder möglich wird.

Und weil unsere Sprache (und damit auch unser Denken) nicht zwischen diesen Pseudogefühlen und echten Gefühlen unterscheidet, denken wir, Gefühle sind etwas anstrengendes, etwas was nur stört, die beruflichen und privaten Beziehungen belastet oder anstrengend macht. Und wir wollen sie weghaben.

Nein, es sind nicht unsere Gefühle, die die Beziehungen belasten, es sind diese Pseudogefühle und andere beschuldigenden Gedanken.

Und es geht auch gar nicht, dass wir nicht fühlen, allerdings sind wir leider dazu erzogen, die echten Gefühle nicht wahrzunehmen, und stattdessen entstehen diese Pseudogefühle und andere abwertende Gedanken. Das haben wir uns als kleine Kinder von unseren Bezugspersonen so abgeschaut, die eben auch nicht fühlen konnten.

In der Gewaltfreien Kommunikation heißt es, dass Gefühle zu unseren Bedürfnissen führen.

Diese Pseudogefühle müssen erst einmal in echte Gefühle verwandelt werden.

Was sind denn nun echte Gefühle?

Das was ich wirklich fühle – und zwar nur in mir – ohne dass eine andere Person darin vorkommt.
Echte Gefühle kann man im Körper fühlen.
„Überlastet, wach, müde, traurig, angespannt, ausgelaugt, interessiert, langweilig, erschrocken, energievoll, entspannt, erfreut…usw.“; das sind Wörter für echte Gefühle.
Sie können gefühlt werden – von mir und auch von dem, dem ich sie sage.
Echte Gefühle erzeugen oft Mitgefühl,
während die Pseudogefühle in der Regel Abwehr und Verteidigung erzeugen.

Wie kann man denn nun von den Pseudogefühlen zu den echten Gefühlen kommen?

Nehmen wir den Satz: „Ich fühle mich von Chef X nicht ernst genommen, nicht respektiert.“

Dieser Satz wird oft nicht einmal ausgesprochen. Und er belastet dann sehr lange unterschwellig die Beziehung zum Chef. Ich versuche mich zu schützen oder kämpfe jetzt darum, vom Chef ja gesehen, gehört oder eben respektiert und ernst genommen zu werden – und der andere merkt das sonderbare Verhalten, kann es sich aber nicht erklären – und macht sich seinen eigenen Reim drauf, vielleicht etwa so: „Herr Z ist aber kurz angebunden. Ich fühle mich von ihm unter Druck gesetzt und als Chef nicht respektiert.“ (auch alles Pseudogefühle, die noch mehr belasten. Jetzt fängt auch der Chef an, sich zu schützen.)

Allerdings wird mit dem Pseudogefühl schon ein erstes Bedürfnis angesprochen: Ich möchte gern ernst genommen bzw. respektiert werden. Offen bleibt allerdings, wie das aussehen soll, dieses Ernst-genommen-werden.

Dieses Bedürfnis ist allerdings in den meisten Fällen nur ein Bedürfnis von mehreren, die da mitspielen und es ist eines, was noch sehr an der Oberfläche bleibt, also noch nicht die Entspannung bringt.

Wenn man etwas tiefer taucht, muss man sich die Situation, wo ich das Pseudogefühl denke, genauer anschauen.

Die Situation könnte z.B. sein:

Sie (Herr Z) haben in der heutigen Versammlung einen Vorschlag unterbreitet, z.B. dass die Tagesordnung so aufgebaut wird, dass die Themen, die alle betreffen, am Anfang behandelt werden und am Ende dann Themen, die einzelne betreffen, und dass die Mitarbeiter, die diese Themen nicht betreffen, dann die Versammlung schon verlassen können. Darauf hat Chef X gesagt: „Ach Sie immer mit Ihren Verbesserungsvorschlägen. Können Sie das nicht einfach mal lassen. Das bringt jetzt alles durcheinander.“

Wenn Sie jetzt bei dem Gedanken (Pseudogefühl) „Ich fühle mich nicht ernst genommen, nicht respektiert“ und bei dem Wunsch (Ernst genommen werden, respektvoller Umgang) bleiben, dann lässt sich der Fall nicht vollständig klären, denn es wird Ihnen nicht wirklich klar, wie es Ihnen ergeht. Und was Sie (und auch der andere) alles brauchen.

Ja, wie ergeht es Ihnen in der Versammlung?
angespannt
unter Druck
Besorgt
lange Weile
verletzt

Und diese Gefühle zeigen Ihnen folgende Bedürfnisse an: Effektivität, hohe Wirksamkeit, Sinnvolle Arbeit. Und ich will pünktlich nach Hause, keine Überstunden heute, weil ich Besuch habe (Erholung, Freizeit, Verlässlichkeit).

Verletzt – dieses Gefühl weist auf alte Verletzungen hin. Dazu ein ander mal mehr.

Und was könnte beim Anderen sein, weshalb er diese Bemerkung sagt?

Vielleicht ist es für Ihn anstrengend oder er fühlt sich unsicher, diese Versammlung zu leiten. Oder er fühlt sich angespannt und ist gerade nicht in der Lage, die ganze Tagesordnung umzustellen. Vielleicht befürchtet er, dass dann Mitarbeiter zu früh gehen, die aber für bestimmte Lösungen noch gebraucht werden. Vielleicht ist das Thema, was er besprechen will, sehr komplex und er hat Mühe, alles zu bedenken und nichts zu vergessen. Es geht ihn also um Vollständigkeit, Qualität, um Offenheit und Klarheit für das Neue, um das Ringen um die beste Lösung und das Einverständnis aller für bestimmte neue Vorgehensweisen, die dann umgesetzt werden sollen.

Ihr Vorschlag war vielleicht für den Chef nicht mehr händelbar, weil schon die Grenze dessen erreicht war, was er koordinieren und beachten konnte.

Und es wäre so schön gewesen, wenn Chef X es hätte aufrichtig sagen können:

„Herr Z, ich bin gerade nicht in der Lage, Ihren Vorschlag einzuarbeiten. Ich habe so ein komplexes Thema heute, dass ich sehr angespannt und konzentriert bin, alles zu bedenken. Es ist mir sehr wichtig, dass Sie heute alle dabei sind, weil es um die Weichenstellung für das nächste halbe Jahr geht und ich hätte gern, dass Sie alle verstehen, worum es geht und wir Unstimmigkeiten ausdiskutieren, sodass für alle die beste Lösung entsteht und Sie alle dann voll hinter den neuen Aufgaben stehen. Ich kann gerade nicht abschätzen, welches Thema nur eine Person betrifft und welches Thema alle. Bitten lassen Sie mich diese Versammlung so, wie geplant, durchführen. Wir können Ihren Vorschlag morgen für andere Versammlungen besprechen. Wäre das für Sie jetzt in Ordnung? Können Sie jetzt in der Versammlung konzentriert dabei sein oder steht etwas Wichtiges dem entgegen?“

Und wenn Sie nun auch aufrichtig sind und sagen: „Ich bin ganz schön angespannt und unter Druck, habe extrem viel auf dem Tisch zurzeit, habe die Anweisung von Ihnen, die Aufträge für die Kunden A, B, C heute fertig zu machen und habe zu Hause Besuch. Wir haben am Abend Karten für die Semperoper und davor will ich mit dem Besuch Essen gehen; ich habe schon gestern den Besuch allein gelassen. Ich kann heute keine Überstunden machen. Wie lange, denken Sie, wird denn die Versammlung hier jetzt dauern? Und könnte ein Kundenauftrag noch einen Tag warten, falls die Versammlung sich hinzieht?

Merken Sie, wie sich die Situation verändert und Verständigung entsteht, nur dadurch, dass beide Gesprächspartner aufrichtig sind und wirklich sagen, was in ihnen ist (also mit Gefühl und Bedürfnis)?

Die ehrliche Selbstaussage ist oft Gold (und oft auch richtig Geld) wert – und erst durch Bewusstheit zu den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen machbar. Man muss nicht immer die Gefühle aussprechen, gerade in einer Kultur, die damit schwer umgehen kann. Aber man braucht die Gefühle dringend für sich selbst, um die eigenen Bedürfnisse zu entdecken, denn viele Fälle sind komplexer, als die, die ich hier als Beispiele vorstelle.

Auch die Bedürfnisse wurden hier in der Aussage von Herrn Z umschrieben. Wenn diese Strategie Erfolg hat, dann reicht es so. Wenn nicht, dann müssen auch hier die Bedürfnisse auf den Tisch, weil dann noch andere Strategien gefunden werden müssen.

Bis zum nächsten Mal.

Herzlichst Gudrun Höntsch